Wunderbar blühende rote Rosen rund um ein offenes Tor mit Blick in die Weite - das ist das Bildmotiv für den Studiengang Christliche Spiritualität.

Anselm Grün:
Wege christlicher Spiritualität

Anselm Grün zu Gast an der Theologischen Hochschule

Am 12. November konnte die Theologische Hochschule Reutlingen mit großer Freude Pater Dr. Anselm Grün als Gastreferenten willkommen heißen. Anselm Grün ist ein international bekannter Spiritual und mit einer Auflage in Millionenhöhe der meistgelesene spirituelle Autor deutscher Sprache.

Pater Anselm hat zum Thema »benediktinische Spiritualität« gesprochen und seinen Vortrag in drei Punkte unterteilt: Mystik – Gemeinschaft – Arbeit/Welt. In der Mystik geht es wesentlich um die geistliche Reinigung, die zur Erleuchtung und damit zur Einung des Menschen mit sich und auch mit Gott führt. Dabei sei es nicht das Ziel, so Grün, das Ich abzutöten und sich von der Sünde zu distanzieren. Dies sei weder möglich noch nötig – nötig und not-wendig sei vielmehr die Akzeptanz des eigenen Lebens mit allem, was dieses Leben ausmacht, um so einen sinnvollen und ganzheitlichen Umgang mit dem eigenen Selbst zu finden. Weder die Flucht in die Selbstzerknirschung noch die Sehnsucht nach spiritueller Grandiosität und weltfremder Abgehobenheit führe wirklich in eine tiefe Spiritualität, sondern allein die »humilitas«, die Demut, die lernt, sich selbst zu erkennen und damit auch Gott. Humilitas hat auch zu tun mit humus, dem Boden: Spiritualität ist geerdete Existenz.

Ein zweites Kennzeichen benediktinischer Spiritualität ist die Gemeinschaft. Wer sich auf Gott einlässt, wird neben tiefer Geborgenheit auch immer wieder Enttäuschung erleben, weil die Realität des Lebens auch von Versagen, Angst, Hoffnungslosigkeit und kleinkariertem Egoismus geprägt ist. Gemeinschaft mit Menschen wird dabei zur Hilfe für die Gemeinschaft mit Gott, und sie ist der Lakmustest für jeden weiteren spirituellen Schritt: Die Tiefe des Glaubens an Gott misst sich an der Tiefe des Glaubens an die Menschen.

Und darum gehört zur Spiritualität im Sinne des Heiligen Benedikts immer auch die Welt, die Arbeit, die Diakonie. ora et labora ist zwar nicht der einzige, sicher aber der bekannteste Grundsatz Benedikts: Aus dem Gebet hin zur Arbeit. Quelle der Motivation und Kraft für die tägliche Arbeit ist nicht intrinsischer oder weltlicher Natur (Erfolg, Geld, Macht), sondern die Kraft des Geistes aus dem Gebet. Solche Arbeit ist entsprechend keine Selbstinszenierung, sondern sinnvolles Sein in diakonischer Tätigkeit. Wertvoll, so Grün, ist nur das Tun, das Hoffnung vermittelt – und erst noch effizienter, weil es nicht aus den eigenen, zuweilen doch sehr trüben Quellen schöpft.

Pater Anselm ist ein faszinierender Redner, der mit erstaunlicher Leichtigkeit und Gewandtheit versteht, tiefste Frömmigkeit mit ganz praktischer Lebensführung zu verbinden. Und genau das ist es, was echte Spiritualität ausmacht.

Christoph Schluep

Vortrag als Video

Auf dem THR-YouTube-Kanal (48:05).